Das Hoch

Ich befürchte, du bist immer glücklich. Zu hundert Prozent.

Das hat er gesagt. Vor kurzem. Und ich sagte. Ja. Ich dachte: Ja. Dann hab ich es abgeschwächt und gesagt, ja, zu 97 Prozent sei ich glücklich.

Ich befinde mich gerade in einem Hoch. Und hab es nicht bemerkt. Ich bin so glücklich. So glücklich, dass ich mich nicht erinnern kann. Erinnern kann an die dunklen Momente. Er hat mich dazu gebracht, wieder daran zu denken. Da in der U-Bahn. Da, wo wir darüber gesprochen haben, wurde es mir bewusst, welches Päckchen, welches Gepäck ich mit mir trage. Plötzlich wurde mir wieder bewusst, wie ich eigentlich bin. Welche Befürchtungen ich mit mir trage. Welche Gedanken. Welche Traurigkeit. Welchen Realismus.

Ich bin geprägt von meiner Vergangenheit. Von meinen Ängsten, meiner Unzufriedenheit, meiner Unzulänglichkeit. Geprägt von einer Trauer, wo ich nicht genau weiß, woher sie kommt. Ich bin depressiv veranlagt. Das weiß ich. Meine Familie ist so. Ich komme nicht nur aus einer Familie, die fröhlich und lustig ist. Ich komme auch aus einer Familie, wo Depressionen da sind, wo Panikattacken passieren.

Heute hab ich mir wieder das Lied von Gilmore Girls angeschaut. Das, wo Lorelei dasitzt. Dasitzt in einem Raum mit all ihrer Menschen. Sie singt: I am not unbreakable, I am breaking right now. Und ich habe mich erinnert. Erinnert an die Zeit, wo mich dieses Lied so berührt hat. So berührt hat, als wäre es für mich geschrieben, gesungen worden.

Diese Staffel ist harter Tobak für mich. So viel spricht da von mir raus. So vieles spricht mich direkt an.

Ich befinde mich gerade in einem Hoch. Wie lang noch? Ich hab Angst, dass dieses Gefühl wiederkommt. Ich hab so Angst. Ich will nicht, dass es wiederkommt. Mir geht es gerade so gut.

Ich habe mich getrennt. Und es so viel passiert. So viel Gutes ist passiert. Ich dachte, ich bin so glücklich damit. Mit geht es ja so viel besser seitdem. Habe nicht getrauert. Bin froh, mit so vielen frohen Menschen umgeben zu sein. Sehe, wie schön es ist, positiv zu sein. Bekomme so viel positive Resonanz auf meinen positiven Blick, auf meinen Optimismus.

Und dann sagt er, er befürchte, ich sei immer glücklich. Er sei es nämlich nicht.

Und das beschäftigt mich.

Schauspielere ich? Bin ich wirklich ich? Ich will mein Glück nicht nur spüren, weil ich weiß, was Unglück ist.

Mein Leben hat sich so arg geändert und ich nehme es hin. Zelebriere es. Bedaure nicht. War nicht traurig. Ich hab Angst, dass ich jetzt traurig werde. Ich habe keine Energie dafür. Möchte meine Energie für was anderes verwenden.

Ich bin glücklich mit ihm. Oder? Bin ich glücklich mit F.? Oder ist er nur ein Zwischenspiel? C. hat da was angedeutet.

Wer bin ich eigentlich?

Warum kommen mir jetzt diese Gedanken? Beschwöre ich einen bösen Geist? Den bösen Geist Lumpazivagabundus?

In mir wohnt eine traurige Seele.

Vielleicht wird mir gerade alles zu viel. Zu viele Gedanken. Zu viele Ideen. Zu viele Projekte. Und eigentlich will ich nur liegen in meinem Bett. Will allein sein. Will lesen. Will nicht aufstehen. Will daliegen und mich verlieren in meinen Gedanken. In meiner Fantasie. Meine beste Freundin. Meine beste Freundin, die mich seit ewig begleitet. Meine Lethargie. Meine Faulheit. Meine Gedanken, die mich überall hintragen. In eine andere Welt. In meine Berühmtheit.

Ich kann es kaum erwarten. Ich kann sie kaum erwarten, meine Zukunft. Meine Zukunft, in der ich von mir lebe. In der ich Geld verdiene, weil ich ich bin. In der ich erkannt werde, weil ich ich bin.

Mir geht das zu langsam. Das Bekanntwerden und das Nichtarbeitendeswegen.

Ich bin so verliebt. Ich glaube es zumindest. Ich habe so viele Ameisen im Bauch. Ich freue mich, ihn lachen sehen. Er ist genau das, was ich brauche. Einen Spiegel, der meine Schauspielerei für sein Glück braucht. Ich liebe es, gebraucht zu werden.

Ich bin eine People Pleaserin. Ich liebe es, anderen Abenteuer zu bescheren. Ich liebe es, andere durch eine Achterbahn voller Gefühle zu reiten. Ich liebe es, eine Erinnerung, ein Gefühl für die Ewigkeit zu werden. Das ist meine Bestimmung. Das weiß ich. Ich weiß, dass ich auf der Welt bin, um andere glücklich zu machen.

Das macht mich glücklich.

Das gibt mir Energie für mein Schauspiel. Das ist real. Das bin ich.

Ich will andere glücklich machen. Ich will ihnen das Beste aller Welten bescheren. Und das kann ich. Jede*r, die*der mich kennengelernt hat, erinnert sich an mich.

Und das gibt mir ein gutes Gefühl. Ich bin da auf der Welt für andere.

Und ich habe dieses tiefe Gefühl in mir, dass es da noch mehr geht. Ich will die Welt glücklich machen. Ich will, dass sich an mich erinnert wird. Und damit will ich etwas verändern. Und das geht nur über meine Person. Über direkten Kontakt mir mir. Deshalb ist alles Indirekte, alles Objektivierte so falsch für mich. Da hab ich kein gutes Gefühl dabei. Deshalb kann ich nicht arbeiten. Nicht die Arbeit ausführen, die ich mir ausgedacht habe. Ich bin auf einer anderen Ebene angesiedelt. Ich bin die Strategin, ich bin die Networkerin, ich bin die, die Menschen zusammenbringt, die, die Ideen hat. Und ich bin nicht die, die die Arbeit durchführt.

Und das stürzt mich in eine Krise. In eine Krise, die ich in meinem normalen Arbeitsalltag nicht sehe. Ich sehe es dann, wenn ich arbeiten müsste. Dann, wenn ich aufschiebe, dann, wenn ich prokrastiniere, dann, wenn ich mich nicht hinaussehe aus einfachen Angaben, Aufgaben. Dann stürze ich in eine Krise, die ich nicht gleich erkenne.

Diese Krise frustriert. Ich spüre es. Ich leide daran, dass meine Zeit noch nicht da ist. Ich leide, dass ich durch meine Jungheit, meine Zukunft noch nicht leben kann und sehe keine Strategie, dass ich diesen Weg abkürze. Ich leide daran, dass ich diesen Weg durchlaufen muss, obwohl ich es so viel besser weiß.

Das macht mich traurig.

Vielleicht denke ich jetzt deshalb über meine früheren Krisen nach. Vielleicht sind sie mir deshalb plötzlich so präsent.

Der F. hat gesagt, er sei nicht immer glücklich. Er sei glücklich, wenn er mit mir sei. Ansonsten nicht so. Als schwebe plötzlich ein riesiges Geheimnis über ihn, kommt es mir vor. Dieses von mir imaginierte Geheimnis führt mich jetzt zu meinem. Zu meinem Geheimnis, das ich mit mir trage seit Ewigkeiten.

Ich bin ein Mensch, der durch Höhen und Tiefen geht. So ist mein Leben. Nur habe ich es gerade vergessen. Weil ich mich in einem Hoch befinde.

 

 

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